Czernin

Günter Traxler

Blattsalat

99 balsamische Kolumnen

Günter Traxler über seinen „Blattsalat": Es war kurz nach dem ersten Umzug des Standard an den Michaelerplatz Anfang 1990, da saßen Oscar Bronner, Gerfried Sperl und ich beisammen, als der Herausgeber schicksalsschwer anhub: „Diese Zeitung ist viel zu ernst. In dieser Branche nehmen sich alle selber viel zu wichtig, nur wenn es darum geht, sich über andere lustig zu machen, sind sie immer bereit. Dagegen muss eine Zeitung wie diese etwas tun.“

Aber was? Bald fielen die Namen einiger begnadeter Satiriker, meistens tot, aber sonst fiel nichts. Innerhalb einiger Wochen reifte die Frucht dieser Überlegungen zur Entscheidung heran, ich sollte halt einmal etwas probieren – leichtsinnigerweise war mir der Kolumnentitel „Blattsalat“ entfahren –, aus dem reichen Fundus genialer Standard- Schreiber würde sich dann schon einmal in der Woche ein dem verwöhnten Publikum zumutbarer Text einstellen. Das könne doch kein Problem sein. War es auch nicht, für die anderen.

 

Leseprobe:

Keine Dienstbrause für Ausländer. Aus Anlass des Erscheinens der 2500. Ausgabe des „Standard“ wollen auch wir uns heute mit jenem sittlichen Ernst, den das Thema verlangt, einigen bedenklichen Tendenzen in der österreichischen Presselandschaft widmen. Beginnen wir beim Grundsätzlichen. Was wäre Kurt Falk nicht alles erspart geblieben, hätte er sich an die Empfehlung der FPÖ gehalten, keine Ausländer zu beschäftigen, sondern auch bei „täglich Alles“ fleißigen, tüchtigen, aber dennoch österreichischen Insblattmachern ihre Chance zu geben! Aber auf Jörg Haider hört ja keiner außer die Regierung. Jetzt ist „High Noon in Falkland“, wie „tv-media“ speichelt, denn der Ex-Ex- Chefredakteur Peter Bartels (von „Bild“ und „täglich Alles") klagte auf die Auszahlung eines auf dreißig Monate angelegten, aber nur wenige Monate erfüllten Vertrages, was Kurt Falk mit dem verständlichen Vorwurf der sexuellen Belästigung kontert. Wenn er zahlen soll, hat der ganze Wöchner nur noch den halben Spaß an der Erotik - das weiß in Wien inzwischen jeder, nur Ausländer, die sich an den Früchten einheimischen Verlegerfleißes mästen wollen, brauchen etwas länger. Noch heute träumt Bartels, wie er dem „Stern“ verriet, von seiner „Männerfreundschaft wie aus der Boulevardzeitung": „Ich war sein Abgott, dem er wochenlang um den Hals fiel.“ Der „Bild"-Mann genoss die Umarmungen. Denn: „Ich liebte ihn ja.“ Wie groß muss Falks Enttäuschung gewesen sein, als er auf der Suche nach Gründen für die fristlose Entlassung des „Abgottes“ die niederschmetternde Entdeckung machen musste, „Bartels habe sich gegenüber Kolleginnen an der Political Correctness versündigt". Klingt schrecklich pervers, aber so schlimm war´s nicht. „Drei Frauen aus der Redaktion teilten mir mit, dass sie sich verbal und auch tätlich von Herrn Bartels sexuell belästigt gefühlt haben. Andere nannten mir Personen, die in der Dienstwohnung von Herrn Bartels verkehrt haben sollen.“ Was heißt verkehrt! Sogar der Hygiene wurde gefrönt. „Da bin ich der Sache auf den Grund gegangen. Und so habe ich erfahren, dass die Wohnung für Damenbesuche von Herrn Bartels herangezogen wurde. In einem Fall bestätigte mir ein – ich glaube 22- jähriges Mädchen –, dass sie dort auch geduscht habe.“ Das Reinlichkeitsbedürfnis „22-jähriger Mädchen“ kann schon seltsame Formen annehmen, wird doch Bartels, der bereits an einem Buch über Österreichs Medien arbeitet (das ist der Dank, wenn man Ausländer beschäftigt!), darin enthüllen, „was er wirklich mit der bewussten Dame unternahm, nachdem die geduscht hatte": „Schach spielen". Vermutlich spielte sie die sizilianische Verteidigung der „political correctness". Diese Schachnovelle hätte ihm Falk vielleicht noch abgenommen, aber das jüngste Bekenntnis seines „Abgottes, dem er wochenlang um den Hals fiel“, muss das Fass dann zum Überlaufen gebracht haben, gestand Bartels doch dem „Stern": „Bei mir haben auch Männer geduscht.“ Und dieser neurotische Duschzwang bei ,täglich Alles“ wurde mit der faulen Ausrede begründet: „In dem Verlagsgebäude, wo Bartels auch seine Dienstwohnung hatte, war es „sommers heiß und schwül“ und somit eine Selbstverständlichkeit, Kollegen die Dienstbrause anzubieten". Was er nach dem Duschen mit den Männern gespielt hat, blieb offen, klar hingegen war: Wenn die „political correctness“ auf der Arche Noah einmal an die von Sodom und Gomorrha erinnert, musste selbst eine „Männerfreundschaft wie aus der Boulevardzeitung“ zu Bruch gehen. „tv-media“ dürfte also richtig liegen, wenn es berichtet: „Falk will Bartels nämlich auch nachweisen, dass dieser versucht habe, Mitarbeiter abzuengagieren - womit er seine Treuepflicht verletzt haben könnte“, und zwar in qualifizierter Form, wenn es unter der Dusche geschah. So tief wir in dieser Situation auch mit Kurt Falk empfinden, können wir ihm doch einen Vorwurf nicht ersparen: Warum liest er nie die Kolumne „Fenstergucker“ in seinem Blatt - dann wüßte er doch Bescheid über Ausländer, die in ihrer Triebhaftigkeit nicht davor zurückschrecken, sich von uns durchfüttern zu lassen. Unter dem Beifall der „linken Schickeria“, versteht sich. Günter Traxler 28. Februar 1997