Czernin

Thomas Maurer

Das Hirn muss einen Saumagen haben

Das Beste aus der Medienmanege

Das Hirn, die Post und die Moderne lautete 1995 der Titel der ersten Kolumne des österreichischen Kabarettisten Thomas Maurer in der Wiener Tageszeitung „Kurier".

"Ich kann gleichzeitig telephonieren, radiohören, zeitunglesen und eine Käsesemmel verzehren. Einfach so. Würde ich umgekehrt versuchen, beim Radiohören neben der Käsesemmel simultan auch noch – beispielsweise – Cremekrapfen, Fischsuppe, Kaugummi und Müsliriegel zu mir zu nehmen, täte ich wahrscheinlich schön schauen. Das Hirn muss einen Saumagen haben." Seit damals lädt Maurer jeden Sonntag in seine „Medienmanege": sprachgewandt, witzig und oft auch politisch provokant. Das vorliegende Buch ist eine Sammlung der klassischen Marke „Best of“ – aus dem PC eines der führenden Kabarettisten des deutschsprachigen Raumes. In diesem Sinn gilt für dieses Buch, was Thomas Maurer 1995 an den Schluss seiner ersten „Medienmanege“ setzte: „Ich möchte Sie also herzlich einladen, diese Kolumne regelmäßig zu lesen: Es kann Ihnen zumindest nicht schaden.“

 

Leseprobe:

Sa., 27. September 1997. PHILATELISTISCHE PHÄNOMENE. Es ist eines, daß es dem im kollektiven Trauertaumel liegenden britischen Staatsvolk gelungen ist, zu Ehren Diana Spencers erstmals in der Geschichte die Halbmast- Beflaggung von Buckingham Palace zu erzwingen. (Ich als Queen hätte das ja schon nicht durchgehen lassen. Tradition ist schließlich Tradition; gibt man erst in diesen Kleinigkeiten nach, sitzt man auch schon schwuppdiwupp im St. Moritzer Exil oder wird unter lebhaftem Jubel enthauptet.) Ganz was anderes aber ist, daß jetzt auch noch die Jubiläums-Briefmarken-Edition anläßlich der goldenen Hochzeit von Queen Elizabeth und Prince Philip nicht anläßlich der goldenen Hochzeit, sondern, „aus Pietät“, gut drei Monate danach erscheinen wird. Spätestens aber, wenn nicht einmal mein fünfzigster Hochzeitstag halbwegs pünklich von der Post gewürdigt würde, wäre ich als Queen doch ziemlich angefressen. „Für was bitte bin ich hier eigentlich die Königin?“ würde ich zornig ausrufen, „So Obstinatheiten kann ich bitte alser demokratisch Gewählter auch ham.“ Und läge mit dieser Ansicht gründlich daneben. Bundespräsident Klestil nämlich erhält von Post und Republik pünklich zum 65. Geburtstag eine 7-Schilling-Sondermarke, gestaltet im zeitlosen Nicolae-Ceaucescu- Weichzeichner-und-Retusche-Portraitphotostil. Irgendwie finde ich das fragwürdig. Nicht das ich’s ihm neidig wäre: den eigenen Kopf auf einer Briefmarke zu sehen ist ja - aufgrund der endgültigen, quasipostumen Nekrologhaftigkeit dieser Ehrung - ein allenfalls gemischtes Vergnügen. Auf einer Briefmarke ist man zwar nicht so definitiv tot wie auf einem Geldschein, aber doch ziemlich. (Kurze Zwischenfrage: Ist das eigentlich üblich? War das immer schon so? Daß lebendige Bundespräsidenten noch während ihrer Amtsausübung mit Briefmarken geehrt werden? Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, jemals bewußt Rudolf Kirchschläger abgeleckt und aufgepickt zu haben, und den Spaß, zu Watchlist-Zeiten einen Luftpostbrief nach Amerika mit zwei, drei Waldheims zu frankieren, hätte ich mir sicher nicht entgehen lassen.) Fragwürdig finde ich die ganze Aktion vor allem hinsichtlich des bevorstehenden Präsidentschaftswahlkampfes. Ist das nicht irgendwie, äh, unlauter? Wenn der Titelverteidiger einem von allen Kuverts entgegen lacht? Irgendwie stört es mein Gerechtigkeitsempfinden, mir vorzustellen, wie Richard Lugner Werbebriefe in eigener Sache versandfertig macht, indem er gezwungenermaßen an Rückseite des Portraits seines Kontrahenten leckt. Der bitter Nachgeschmack der Demütigung wäre vermutlich sogar nachhaltiger als jener der Gummierung. Ich plädiere also dafür, Klestils 65er ebenso wie die goldene Hochzeit zu Windsor um ein paar Monate zu verschieben. Vielleicht gelingt es in der gewonnenen Zeit ja den Sozialpartnern, einen für alle Seiten akzeptablen Kompromiß auszuhandeln. Sa., 18. Oktober 1997. FOR HE`S A JOLLY GOOD FELLLNER! Wir alle erinnern uns wohl an diverse, in glühender Erwartung einer nie zuvor dagewesenen Geschenklawine durchfieberte Kindheits-Advente. Und an das verläßlich darauf folgende, styroportaube „Was-das-ist-alles?“-Gefühl, wenn wir uns unterm Christbaum durchs Geschenkpapier gewühlt hatten und der erwartete 72-stöckige Barbie-Wolkenkratzer oder der lebensgroße sprechende Delphin mit Infrarotfernbedienung doch nicht dabei waren. Nun ist diese Woche endlich ein Ereignis eingetreten, dem ich seit gut und gern viereinhalb Jahren entgegenfiebere, nämlich der fünfte Geburtstag von News. Und ich bin… tja: enttäuscht. Ich könnte zwar garnicht sagen, was ich mir genau erwartet habe, aber, naja, doch zumindest sowas wie ein 500-seitiges, exclusiv News und seinem unvergleichlichen Erfolg gewidmetes Sonderheft samt beigepacktem Designerhandy, Haubenmenü und einem aufblasbaren Niki Lauda. Verstehen Sie mich nicht falsch: Damit will ich keineswegs sagen, daß das Jubiläums- News irgendwie ein Lercherl wäre! Zwar nimmt sich die forcierte Bescheidenheit in Wolfgang Fellners Kommentar ("Tatsächlich hätte sich diesen Erfolg von der Gründungsmannschaft (…) niemand träumen lassen.") für Liebhaber seines Stils durchaus irritierend aus, zwar wirkt der Gratislottoschein zum Raustrennen im Vergleich zu den gewohnten fellnerschen fringe benefits eher nebbich, aber immerhin bekommt man im - allerdings bloß vierzigseitigen - 5-Jahre-News-Extraheft bestätigt, was man immer schon über das Leben und Treiben „hinter den Kulissen von News“ vermutet hat: Daß es nämlich bei aller zeitgemäßen Lässigkeit ganz stupend professionell zugeht und sich all die vielbestaunten- und beneideten Blitz-Exclusiv-Vorab-Enthüllungen der „vollelektronischen Produktion von News“ zu verdanken sind, welche eben ein Produktionstempo nahe der Lichtgeschwindigkeit ermöglicht. Und auch die Lesefrüchte haben gewohntes Nieveau: Der neue Volksopern-Chef Dominique Mentha z.B. wird als „Alpen-Schlingensief“ bezeichnet, Christoph Schlingensief im Gegenzug als „Weight-Watchers-Phettberg für Hardcore-Masochisten“; Hermes Phettberg selbst aber leider nur als „Talkmaster“ und nicht - analog zu Gianni „König der Schwulen“ Versace - als, sagenwirmal: Fürsterzbischof der Schwulen. Aber was nicht ist, kann noch werden, ich freue mich also schon auf die nächsten „50.000 Seiten, die Österreich bewegten“ und gratuliere ganzganz herzlich zu den bisherigen 50.000. Zum zehnten Geburtstag würd’ ich dann aber schon gern zumindest einen Laptop geschenkt bekommen. Sa., 25. Oktober 1997 KRONE UND LORBEER (DOKUMENTTITEL: ALEA JACTA EST, JUCHEE!) Daß Jörg Haider wieder mal ein Buch geschrieben hat, ist an und für sich wenig überraschend, und auch daran, daß die Kronenzeitung fast eine ganze Seite freimacht, um „einige interessante Auszüge“ vorzustellen, verblüfft eigentlich nur, daß diese unter der Rubrik „Gericht“ firmiert. Weniger erwartbar war, daß es, laut. Überschrift, „Das Buch eines Bergsteigers“ geworden ist, was auch der Autor bestätigt: „Wer ein Buch dieser Art schreibt, weiß, daß die Gedanken dafür reifen müssen. Sicher ist es bei mir nicht der Schreibtisch, an dem die Ideen, Vorhaben und neue Gedanken entwickelt werden.“, sondern „ausgedehnte Touren durch die europäische Bergwelt.“ Merke: „Bücher entstehen nicht immer dort, wo man es vermuten würde!“ Wech erhabenes Bild: Jörg, der Volkstribun, mit zäher Kraft einen tückischen Überhang bezwingend, die Linke nervig in den Fels gekrallt, dieweil die Rechte beiläufig den mitgeführten Laptop bedient und hinter der gefurchten Stirn gereifte Gedanken zu Aphorismen gedrechselt werden. Aphorismen wie: „Wenn der Österreicher von seinen Fesseln befreit ist, leistet er Überdurchschnittliches.“ Es mag an der Kronenzeitung , dem Blatte Catos und Aurelius’, gelegen haben, daß ich zu diesem Bild die entschwundene Größe des klassischen Altertums assoziierte, nämlich Suetons Beschreibung Julius Cäsars: „Bei Märschen zog er manchmal zu Pferde, öfter zu Fuß voran, barhaupt bei Sonnenschein und Regen.“ um nebenher noch Klassiker wie den „Gallischen Krieg“ zu verfassen, von dessen drittem Teil Sueton allerdings mutmaßt, er sei nicht aus Cäsars, sondern aus Hirtius’ Feder geflossen, wie ja auch Jörg Haider dem Vernehmen nach auf seine literarischen Gipfelstürmereien nebst Rucksack und Bergstock auch den Sichrovsky mitgenommen haben soll. Und zumindest einer der beiden scheint sich auch durchaus der antikischen Größe der freiheitlichen Mission bewußt sein: „Wir haben uns als Tabubrecher in einer geschlossenen Gesellschaft bemerkbar gemacht. Damit haben wir aber den Rubikon überschritten.“ - ein etwas verfängliches Bild, da ja auf Cäsars Überschreiten des Rubikon der Bürgerkrieg und seine Inthronisierung als Diktator auf Lebenszeit folgte. Aber das ist vermutlich eine Überinterpretation, es liegt mir ferne, bei der Exegese druckfrischer klassischer Texte gescheiter sein zu wollen als der große Cato selbst, ohne dessen allerhöchste Imprimatur es der Text ja wohl kaum in die Krone geschafft hätte.Was aber ein Cäsar vermocht hätte, dem eine unabhängige Zeitung in kritscher Solidarität beigestanden wäre, ist kaum zu ermessen. Soll man Cato/Aurelius noch extra erklären?