Czernin

Alfred J. Noll
Manfried Welan (Hg.)

Die Abgelegene

Einige kursorische Anmerkungen zur Österreichischen Unabhängigkeitserklärung 1945

Am 27. April 2010 feierte die Österreichische Unabhängigkeitserkärung ihren 65. Jahrestag. Worum handelt es sich bei diesem Text aus dem Jahr 1945? Die Autoren holen das historisch-politische Dokument aus der Versenkung, das die Grundlage darstellt, von der sich alles Recht in Österreich ableitet.

Die Unabhängigkeitserklärung vom 27. April 1945 ist die „historisch erste Verfassung“ der wiedererstandenen Republik Österreich. Auszüge der Erklärung finden sich in unmittel-barer Nähe des Staatsgründungsdenkmals in Stein gehauen im Schweizer Garten, weit „abgelegen“ im 3. Wiener Gemeindebezirk – wer hat sie je gesehen? Den beiden Juristen geht es darum, an einen Text zu erinnern, dem sie einen hohen Stellenwert beimessen.

 

Leseprobe:

Die Unabhängigkeitserklärung 1945 wurde gegenüber Deutschland ausgesprochen. Gegen die Alliierten konnte sie nicht ausgesprochen werden. Eine Unabhängigkeit von den Alliierten schien im Jahr 1945 illusorisch. Und es war durchaus von realistischer Einsicht getragen, dass sich eine Proklamation der Unabhängigkeit nicht just gegen diejenigen wenden konnte, die diese Unabhängigkeit von Deutschland für Österreich gerade eben erkämpft hatten. Die Unabhängigkeit wurde ja nicht durch die demokratischen Widerstandskämpfer gegen das Deutsche Reich erkämpft, sondern durch die Alliierten, insbesondere die Sowjetunion, denen gegenüber das Deutsche Reich bedingungslos kapitulierte. Die Unabhängigkeits- erklärung 1945 ist ein Markstein der politisch-historischen Entwicklung der Republik Österreich, ein Merkstein ist sie noch nicht geworden, dazu müsste sie von der Peripherie ins Zentrum rücken.