Czernin

Christian Eigner
Manfred Nürnberger

Matching.Net

Die Siegerformel für Unternehmen. Alle Macht dem Kunden

Willkommen in der Welt des Matching Prinzips. Es definiert das Web und die Web-Site völlig neu. Ihr Clou ist nicht der „neue Cyberspace“ oder der „eigenständige Web-Raum“, sondern das Ersetzen von Dingen und Handlungen durch Information und Informationsfluß.

Sie führt Produkte näher an Verbraucher heran (und umgekehrt), egal, ob es sich bei diesen um Endkunden oder wichtige Business-to-Business-Partner handelt. Ihr Geschäft ist das Zueinander Führen, nicht irgendwo in einer Cyberwelt, sondern im ganz realen Raum, in der Lebenswelt. Sie ist mehr Infra-Struktur als Medium, mehr Telefon als Fernsehen. Zwei führende Experten in den Bereichen von Internet und E-Commerce, Christian Eigner und Manfred Nürnberger, legen hier zwei Bücher in einem vor. Das eine richtet sich an Wirtschaftstreibende, das andere an den User. Beide bekommen einen Einblick in die grösste technologische und gesellschaftliche Revolution seit der industriellen: die Vernetzung.

 

Leseprobe:

Hypertext-Märchen und andere Gruselgeschichten. 1. Ich will und kann alles. „Vergessen Sie Ihre Web-Site!“ Das Gemurmel, das am Anfang von Seminaren den Raum füllt, war mit einem Schlag verschwunden. Neugierig blickten die acht Teilnehmer nach vor auf die Leinwand. Das Bild, das der Datenbeamer warf, war hell und klar, ein Irrtum also ausgeschlossen. „Vergessen Sie Ihre Web-Site!“ Da stand es. In einem kräftigen, hellen Blau auf schwarzem Grund. Bei einigen Teilnehmern verzog sich der Mund. Ein stilles, souveränes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht, das typische Lächeln des Kenners, der die versuchte Provokation mit einem Blick enttarnt. Andere schienen irritierter. Sie runzelten die Stirn und wussten nicht, was sie davon halten sollten. Nur das Pärchen vorne links in der ersten Reihe lehnte sich entspannt zurück. Abwarten und zuhören war offensichtlich ihre Devise, ganz nach dem Motto: mal sehen, was es da zu lernen gibt. „Ich meine es ernst. Vergessen Sie Ihre Web-Site. Vergessen Sie sie einfach!“ Die Blicke wurden noch neugieriger und fixierten uns. Wie bitte? Vergessen? Ein fragender Ausdruck in den Augen begann den Blick der Irritation zu ersetzen. Immerhin waren die Leute gekommen, um etwas über Web-Publishing zu hören. Sie wollten von uns wissen, welche Chancen das Internet dem Verlagswesen bietet. Sie würden gerne ihre Web-Site verbessern und brauchten Know-how. Und jetzt das! Was sollte das alles? „Zumindest dann, wenn Ihre Site so aufgebaut ist und die gleiche Geschichte hat wie 90 oder gar 95 Prozent aller Seiten im Netz.“ Wir begannen zu erzählen. Von der „phänomenologischen Phase“ des Webs, wie wir sie nennen: In der zweiten Hälfte der Neunzigerjahre war alles wunderbar einfach. Jeder, der sich nur minimale Kenntnisse in HTML aneignete (HTML, Sie wissen schon, die Sprache, in welcher der so genannte Quellcode einer Internet-Seite geschrieben ist), konnte Web- Pages produzieren. Ohne viel Wissenschaft war es möglich, ein neues Medium zu nutzen und Hochtechnologie einzusetzen: Einmal ganz modern sein können, ohne sich mit ungeheuren Komplexitäten herumschlagen zu müssen! Einmal ohne Spezialwissen auskommen und trotzdem in der Welt der Computer und Netzwerke zu Hause sein, nur unter Anwendung von Alltagsvernunft und Beobachtungsgabe! (deshalb: „phänomenologische“ Phase…) Einmal wieder Herr der Technik und der Medien sein! Es war herrlich. Geschätzte 800 Millionen (in Worten: ACHTHUNDERT MILLIONEN) Sites wurden in dieser Zeit produziert. Jeder wollte bei dem Hype dabei sein, Privatpersonen, große Firmen, kleine Firmen, Ein-Mann-Firmen, Universitätsinstitute, Zahnambulatorien, Anwaltskanzleien, Verlage. Jeder brauchte seine Web-Page. Und produzierte deshalb drauf los - was zur „ersten Welle“ der Internet-Nutzung führte. Das Web wurde als billiges und schnelles „Content-Medium“ betrachtet, als Informationsmaschine, die man mit wenigen Handgriffen füttern konnte. Auf der eigenen Web-Site präsentierte man vor allem sich selbst: Wer bin ich, wo findet man mich, was gibt es über mich an Neuigkeiten zu erzählen? Flugs wurde alles und jeder zum Informationsanbieter, selbst der Basketball-Fanklub der kleinen Landgemeinde, der die Spielergebnisse „seiner“ Mannschaft und den Termin des nächsten Sportfestes via Web der ganzen Welt zugänglich machte. Weil sich die Zahl der Neuigkeiten aber in Grenzen hält und die Veränderungen im Fanklub meist nur die interessieren, die sie ohnedies wissen, hatte sich die „erste Welle“ jedoch bald tot gelaufen (spätestens Mitte 1997). „Portal“ hieß das nächste Zauberwort. Der „Informatiksystem-Anbieter“ (so steht es auf der Page, von der wir reden, das folgende Beispiel war Realität) präsentierte nun auf seiner Site nicht nur die Termine seiner aktuellen PC-Kurse (beispielsweise „Büroorganisation“ und „Verwaltungswesen"). Zusätzlich gab es unzählige Rubriken, die aus eigenen Navigationsseiten bestanden, auf denen die - angeblich - wichtigsten Adressen im Netz zum Thema „PC und Verwaltungswesen“ aufgelistet waren. Und falls diese Idee schon ein „Informatiksystem- Anbieter“ gehabt hatte, machte man halt etwas anderes: Wir verkaufen PC-Kurse für die Bereiche Verwaltung und Organisation. Wieso bieten wir dann nicht Links zu Seiten an, die sich ganz allgemein mit diesem Komplex beschäftigen? Gehen wir doch an das Verwaltungsthema nicht aus Informatiksicht, sondern aus rechtlicher und verwaltungspolitischer Perspektive heran! Das müsste die Leute interessieren… Ja, wieso werden wir nicht gleich zu einem, zu einem… Sozialportal!?! Neben Kursterminen fand sich so plötzlich ein Link zur Stellungnahme eines deutschen Staatsministers zum „Entwurf eines Ausführungsgesetzes zum Berufsvormündervergütungsgesetz“, ein Link zum Bezugsquellenverzeichnis, ein Finanzierungsleitfaden für Betreuer, Vormünder und Pfleger, ein Veranstaltungskalender, ein Gästebuch, ein Chatroom und vieles mehr. Die „Portalmania“, wie die „Zweite Welle“ auch genannt wurde, war ausgebrochen! Jeder wollte seine Visitkarte oder Präsentationsseite zu einem Knotenpunkt ausbauen, zu DER Seite, die den Leuten als Einstieg dient, wenn sie im Web zu einem Spezialgebiet Informationen suchen. Man wollte die Leute an sich binden, „User-Treue“ erzeugen, „Communities“ bilden. Weil die großen Suchmaschinen ("Yahoo!“, „AltaVista") und traditionellen Informationsanbieter ("CNN“ oder der österreichische „ORF") rasch klargestellt hatten, wer im News- und Business-Segment die erfolgreichen Portalbetreiber sein würden, schossen „Spezialportale“ wie Pilze aus dem Boden: Schulportale - Kulturportale - Landwirtschaftsportale - Regionalportale - Stadtportale - Verlagsportale - Sexportale - Philosophieportale - Logistikportale. Bald war die Liste beliebig verlängerbar. Und bald, nämlich nach nur 12 Monaten, im Herbst 1998, begann den ersten Betreibern zu dämmern, was sie sich da angelacht hatten. Waren die netten Informationsseiten der „Ersten Welle“ schon wartungsintensiv gewesen (Informationen sammeln, Informationen aufbereiten, was für eine Arbeit!), übertrafen die neuen Portale alles Bisherige bei weitem: - Sie fraßen Unmengen an Zeit, weil dauernd Links repariert werden mussten. Mal veränderte sich die Adresse, mal verschwand eine der „Wichtigen Seiten zum Thema“ ganz aus dem Netz. - Sie fraßen Unmengen an Zeit, weil sie permanent zu erweitern waren. Spätestens alle vier Monate musste eine neue Ausbaustufe in Form einer weiteren Rubrik und Navigationsseite her. - Sie fraßen Unmengen an Zeit, weil die schon bestehenden Features wenigstens alle zwei Wochen ihre kleine Rundum-Erneuerung brauchten (ein ergänzendes Link da, ein paar News dort). Für die Attraktivität der Site war das unumgänglich. Und sie fraßen vor allem Geld. Nur eine eigene Redaktion konnte diese Arbeiten mit viel neuer und kostspieliger Technologie (wie Redaktionssystemen) bewältigen. Mindestens drei oder vier Leute musste man für das Web abstellen - zu viele, wie die meisten Site- Betreiber jenseits der „Yahoo!"-, „CNN"- oder „RTL"-Liga bald feststellten. Denn auch jetzt rechnete sich die Web-Site nicht, im Gegenteil, sie war noch teurer geworden, ohne dass die Besucherzahlen drastisch stiegen und der Traum von satten Werbeeinnahmen erfüllt werden konnte. Auch mit Konzept und reichhaltigem Angebot, das man durch Verknüpfung mit anderen Web-Sites herstellte, blieb in 90 Prozent der Fälle der große Zustrom aus. Mit Spezial-Links in Spezialgebieten ließ sich kein Massenmedium machen. Aus manchem Portal wurde deshalb nicht mehr als eine unspektakuläre Eingangstür, die weniger in einen Palast als in ein Fünf-Zimmer-Haus führte. Und zudem des Öfteren klemmte. Doch die Begeisterung für die eigene Web-Site wurde nur kurz gedämpft. Schließlich kündigte sich die Lösung des Problems schon an, der finale, entgültige Durchbruch: Hatten nicht schon während der ersten und zweiten Welle viele Unternehmen das Web genutzt, um ihre Produkte zu verkaufen? Der Lederwaren-Händler aus New York, das kleine Teegeschäft in Rotterdam, der Pizzadienst in Washington? Konnte man nicht immer wieder Erfolgsgeschichten lesen? (Vom Triumph des Buchhändlers „Amazon“ oder den Web-Umsätzen „Microsofts“ gar nicht zu reden…) Also wurde das Portal ausgebaut. „E-Commerce“ war jetzt angesagt, und nichts schien einfacher, als zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Der Direkt-Verkauf im Netz würde den Traffic nach oben treiben und der Site Werbe-Gelder bringen, im gleichen Atemzug könnte man an den eigenen Waren verdienen! Die „Dritte Welle“ brachte den Topf erst zum Sieden und dann zum Überlaufen. Allen Ernstes begann die interaktive „New York Times“ 1999 Computer zu verscherbeln. Andere Portale - darunter auch einige große Suchmaschinen - machten auf Reiseanbieter. Und natürlich Bücher! Überall wurden sie plötzlich angeboten, in Kooperation mit „Amazon“, in Kooperation mit „Barnes&Noble“, im Alleingang. Nur rauf mit irgendwelchen Waren, nur rauf damit auf die Seite! Was den Erfolg dieser Sites nicht wesentlich vergrößerte. Weshalb sollte man direkt zum kleinen Verlag gehen, wenn man das gewünschte Buch auch bei „Amazon“ bekam? Noch dazu, wenn dort die Auswahl hundert Mal so groß ist und man auch gleich wegen ein paar anderer Bücher schauen kann!? „Wer einen Salat machen will, ist froh, dass es die Tomaten, das Kraut und alles andere in einem Laden gibt. Es ist gegen die menschlichen Natur, wegen jeder Zutat in einen eigenen Shop gehen zu müssen“, hat Alex Zoghlin, US-amerikanischer Netzpionier, das Problem des Direktverkaufs auf den Punkt gebracht. E-Commerce in der tagtäglichen Normalversion, wie sie von Tausenden kleinen Firmen bereits versucht wird? Eine Farce! Lediglich eines hat die „Dritte Welle“ bewirkt: In ihr hat die typische Netzseite der „phänomenologischen Phase“ ihre Vollendung gefunden. Jetzt war sie endlich fertig, die „Ich-will-und-kann-alles"-Site! Jetzt war sie definitiv komplett: Ein bisschen Visitkarte. Ein bisschen Info-Page. Ein bisschen Weg-Weiser. Ein bisschen Vermittler. Ein bisschen Verkaufs-Instrument. Von allem etwas. Alle Elemente, die die Web-Entwicklung hervorgebracht hat, finden sich auf ihr. Aber keines der Elemente ist ausgereift, keines wurde perfektioniert. Zugleich ist der Portalcharakter nicht wichtiger als der Verkauf, der E-Commerce-Aspekt nicht wichtiger als die Visitkartenfunktion. Es gibt keine Prioritäten. Man hat das Ding einfach wachsen lassen, ohne echtes Ziel, ohne irgendeine Integration in die Managementvision (Business ohne Business-Konzept: auch das ist die „phänomenologische Phase“ des Internets…). Nur getragen und gedrängt vom Wunsch, beim Web-Hype dabei zu sein. Aus. „Und? Haben wir damit nicht exakt den Web-Auftritt Ihrer Firma beschrieben?“ Der irritierte Blick war aus den Gesichtern der Seminarteilnehmer gewichen. Die meisten Zuhörer schmunzelten und nickten zustimmend. Keiner von ihnen gehörte dem Management an. Sie waren nur mit dem Auftritt betraut worden und hatten längst gemerkt, dass diese Art von Seite keinen Sinn macht. Am Ende sagte eine der Teilnehmerinnen zu uns: „Wissen Sie, ich hatte mir vorgenommen, vieles zu verändern. Ich hatte große Pläne mit unserer Site. Aber jetzt werde ich gar nichts machen". Sie hatte verstanden, dass es einer völlig anderen Zugangsweise bedurfte. Wir waren zufrieden.