Czernin

Kathrin Resetarits

Vögel sind zu Besuch

„Wir können nicht alleinige Chronisten unserer selbst sein“, sagt Kathrin Resetarits über ihre literarische Arbeit.

Es sind Geschichten „aus dem Unterholz“, der Peripherie, die die Autorin protokolliert. Im Mittelpunkt stehen Menschen, denen es nicht gelingen will, ihr selbstgewähltes Exil zu verlassen, um hinauszutreten, ins Leben. Bei aller Lakonie des erzählerischen Grundtons ist es doch die bei aller Tragik häufige Wendung ins Absurde und Groteske, die diesen Geschichten ein hohes Maß an Individualität verleiht.

 

Leseprobe:

die nachbarn klopfen. ich lebe in ruhiger lage, und dadurch tritt das wahrscheinlich durch heimarbeit ausgelöste klopfen umso deutlicher aus der stille hervor. immer klopfen sie und klopfen. bauen. stellen um. auch nach reiflicher überlegung gelingt es mir aber nicht auszumachen, was genau sie tun. so viel kann man nicht umstellen. außerdem klopfen sie meistens, und beim tischlern macht das klopfen ja eigentlich nur einen bruchteil der gesamtarbeit aus. vielleicht nageln sie ungeheuerlich viele bilder an die wand. sie klopfen und klopfen. kurz lang kurz kurz.
ich kann das morsealphabet nicht mehr.
morgens warte ich im bett auf den ersten schlag. vormittags sitze ich am tisch und lausche. am nachmittag habe ich einen zettel herausgekramt und notiere die schläge.
am abend habe ich anderes zu tun. ich wasche geschirr ab und halte am fenster nach neuigkeiten ausschau.
in der nacht träume ich, dass es nur der wind ist, der klopft, und zwar zu seinem eigenen vergnügen. nicht für mich. am morgen gebe ich deswegen mein projekt, dem klopfen auf den grund zu kommen, auf. vielleicht gehe ich heute auf die straße.