Czernin

Julius Rodenberg

Wiener Sommertage

„Wiener Sommertage“ ist ein einzigartiges Zeitdokument, verfasst von einem der bedeutendsten deutschen Journalisten und Schriftsteller seiner Zeit, Julius Rodenberg (1831–-1914). Auf faszinierende Weise fängt Rodenberg in seinen Reiseberichten das Alltagsleben im Europa des 19. Jahrhunderts ein. Herausgegeben und mit einem Nachwort von Peter Payer.

Nach seinen Großstadtreportagen über Paris, London und Berlin hielt sich Julius Rodenberg anlässlich der Weltausstellung 1873 in Wien auf. In feuilletonistischer Manier schildert er die Inszenierung der Weltausstellung in der Rotunde. Die Sehenswürdigkeiten in der Wiener Innenstadt und das Alltagsleben in den Vorstädten bilden den Hauptteil des Buches, das von einem aufschlussreichen Mentalitäten- und Imagevergleich zwischen den beiden deutschen Hauptstädten Wien und Berlin abgeschlossen wird. Im Nachwort des Historikers und Stadtforschers Peter Payer wird die Entstehungsgeschichte des Buches vorgestellt und der Frage nachgegangen, mit welchen Strategien sich Wien ab 1873 als „Weltstadt“ zu positionieren begann.

 

Leseprobe:

Nun stand es vor mir mit seinen alten und neuen Palästen, mit dem ehrwürdig anheimelnden Dunkel seiner engen Straßen im Innern und der schimmernden Pracht seiner weiten und herrlichen Ringstraße, eine Überraschung für den Fremden, der Wien seit zehn Jahren nicht gesehen. Wie die Pferde trabten und die Wagen dahinrollten, ging eine glänzende Facade nach der andern an mir vorüber – fünf Stock hohe Gebäude mit reichem Sculpturschmuck; mächtig breit, kolossal, einige bis oben hinauf vergoldet – Schaufenster an Schaufenster, Luxusläden, Kaffeehäuser, Restaurationen, Riesenhotels – viele Menschen auf den Trottoirs zur Rechten und Linken, viele Kutscher, viele Pferde in der Mitte, viel Leben und Bewegung überall – in ununterbrochener Reihenfolge Bilder des Reichthums und Überflusses.