Czernin

E. Randol Schoenberg

Apropos Doktor Faustus

Briefwechsel Arnold Schönberg - Thomas Mann. 1930-1951

Mit dem Briefwechsel von Arnold Schönberg und Thomas Mann ist nicht nur ein Stück Exilgeschichte, sondern ein wesentliches Stück Literatur- und Musikgeschichte erstmals auf Deutsch nachzulesen. Die Briefe sind ein weiterer Baustein zum umfassenden Verständnis der Werke der beiden Ausnahmekünstler.

Als der Literaturnobelpreisträger Thomas Mann 1941 zum ersten Mal nach Los Angeles kam, lebte er nur wenige Häuser entfernt vom Komponisten Arnold Schönberg. Trotz der räumlichen Nähe und eines gelegentlichen Kontaktes entwickelte sich keine enge Freundschaft zwischen den beiden. Der zunächst unregelmäßige, später intensivere Briefverkehr zeigt vielmehr inhaltliche und persönliche Bruchlinien auf, die tief in den Biografien der beiden Künstler verwurzelt scheinen. Vor allem die offensichtlichen Anlehnungen von Adrian Leverkühns – Protagonist in Manns Roman „Doktor Faustus“ – musiktheoretischen Überlegungen an Arnold Schönberg boten Anlass zu heftigen Auseinandersetzungen. Ergänzt wird der Briefverkehr durch Schönbergs Vier-Punkte-Programm für das Judentum und begleitende Essays des namhaften Musikhistorikers Bernhold Schmid, des Philosophen Andre Neher und des Schönberg-Schülers Richard Hoffmann.

 

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Mann an Schönberg am 9. Januar 1939

Sehr verehrter Herr Schönberg,
Sie haben mir eine Ehre erwiesen mit der Übersendung Ihres Manuskriptes und haben mir eine höchst angeregte Stunde damit bereitet. Mein inneres Verhalten dazu wechselte zwischen der beifälligsten Zustimmung und einer gewissen Bestürzung über eine oft etwas gewalttätige Allüre, und zwar sowohl im einzelnen, polemischen Ausdruck wie auch in der geistigen Gesamthaltung, die ja ohne Zweifel ein wenig ins Fascistische fällt. Verzeihen Sie diesen Ausdruck, der sachlich natürlich durchaus nicht am Platze ist, aber was ich meine, ist ein gewisser Wille zum Terrorismus, der in meinen Augen ein Kondeszendieren zur fascistischen Haltung bedeutet. Diese Reaktion auf einen so brutalen Druck und Angriff ist gewiss menschlich begreiflich und doch finde ich, dass wir ihrer Versuchung nicht nachgeben sollten, und dass insbesondere der bedingungslos machtpolitische Standpunkt der besonderen Geistigkeit des Judentums, die Sie selbst so richtig als grundreligiös kennzeichnen, wenig zu Gesichte steht.

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