Czernin

Michael Scharang

Die Geschichte vom Esel, der sprechen konnte

Roman

In Zeiten, in denen die Gesellschaft sich nicht zum Besseren umgestalten lässt, gibt es drei Möglichkeiten: Man findet sich mit der Wirklichkeit ab, man beschreibt und kritisiert sie, oder aber man entwirft eine bessere Welt. Michael Scharang skizziert diese in Form eines Märchens, der Langfabel »Die Geschichte vom Esel, der sprechen konnte«, auf meisterhafte Art.

Februar 1945, der Zweite Weltkrieg geht zu Ende. Auf einem alten Bauernhof in der Steiermark findet der fünfjährige Moritz einen kleinen, vor Schmutz starrenden Esel. Die beiden verbindet etwas Besonderes, denn Moritz ist der Einzige, der mit dem Esel sprechen kann. Fortan sind die beiden unzertrennlich, und die Klugheit des Esels rettet Moritz in so mancher Lebenslage, sodass am Ende alles gut ausgeht – oder zumindest gut auszugehen scheint.

Ihr gemeinsamer Weg ist geprägt von Robert Musils These zur möglichen Wirklichkeit: Wie immer die Wirklichkeit beschaffen ist, es gibt eine Alternative.

 

Leseprobe:

Interessiert dich, fragte Moritz, was nach dem Krieg sein wird? Nein, antwortete der Esel. Ich verstehe die Erwachsenen nicht, sagte Moritz. Wir beide sorgen dafür, dass sie mitten im Krieg die besten Lebensmittel bekommen, dass es beim Hirschenwirt für die Sängerinnen und Sänger faschierten Braten gibt, und die Mutter und der Pfarrer zerbrechen sich den Kopf darüber, was nach dem Krieg sein wird. Ich verstehe die Menschen auch nicht, erwiderte der Esel. Sie sind nicht froh, dass sie am Leben sind, reden vom Gestern und vom Morgen und vergessen das Heute. Und da ihnen das Leben nichts bedeutet, führen sie Krieg und bringen einander um. Was tun wir dagegen?, fragte Moritz. Wir machen einen Spaziergang, war die Antwort.