Czernin

Nils Klawitter

Die kleine Sache Widerstand

Wie Melanie Berger den Nazis entkam

Mit 15 Jahren klebt Melanie Berger Anti-Hitler-Zettel auf Häuserwände in Wien. Wenig später muss sie vor den Nazis fliehen – über Belgien bis in den Süden Frankreichs. Dort fliegt ihre Widerstandsgruppe auf, sie wird verhaftet und entkommt in einer halsbrecherischen Aktion aus dem Gefängnis in Marseille. Heute ist sie 102 Jahre alt – und eine der wenigen, die noch von damals erzählen können.

Immer noch macht sich Melanie fast jede Woche auf, um Schüler:innen aus ihrem Leben zu berichten. Und von der Notwendigkeit des Ungehorsams. Lange kamen ihr die eigenen Erlebnisse nicht so bedeutend vor. Erst spät begann sie, davon zu erzählen. Von dieser »kleinen Sache«, die sie immer hintangestellt hatte und die im Schatten mächtiger Résistance-Erzählungen und preisgekrönter Exilliteratur verborgen blieb.

Der SPIEGEL-Journalist Nils Klawitter erzählt ihre Geschichte: die Odyssee einer jungen Frau durch die Wirren des 20. Jahrhunderts, durch den aufstrebenden Faschismus und den Zerfall Europas in Diktaturen. Es ist eine Geschichte von Flucht und Verfolgung, vom Stillhalten in der Illegalität. Und eine Verbeugung vor unglaublicher Tapferkeit.

 

Leseprobe:

Am Vormittag des 26. Januar 1942 überquert eine junge Frau die alte Spitzbogenbrücke über den Tarn in Montauban. Im Abstand von einigen
Minuten folgen ihr zwei Männer. Gemeinsam sehen soll man sie nicht – hören besser auch nicht: Ihr Französisch ist holprig, untereinander sprechen sie Deutsch. Sie steuern auf ein heruntergekommenes Haus am anderen Flussufer zu. Nichts deutet darauf hin, dass hier die Keimzelle einer Untergrundorganisation unterwegs ist, wie es später in einem Polizeibericht heißen wird. Die Frau zieht ihren Schal über Mund und Nase, es ist schneidend kalt.

Stimmen:

[Ein] Buch, das unter die Haut geht.
(Klaus Hillenbrand, TAZ)

[Ein] faszinierender Lebensbericht.
(Wolfgang Paterno, Profil)

Die titelgebende bloß 'kleine Sache', für die sie [Anm.: Melanie Berger] laut eigener Aussage als Mitglied der Résistance verantwortlich war, entpuppt sich bei der Lektüre als mutiges Einschreiten gegen tief empfundene Ungerechtigkeiten, für die die junge Frau beinahe mit dem Leben bezahlte. [...] All das ringt einem bei der Lektüre tiefe Bewunderung ab.
(Wolfgang Huber-Lang, APA)

Nils Klawitter [hat] Bergers Schicksalsjahre in beeindruckender Weise rekonstruiert und [setzt] ihr damit ein würdiges literarisches Denkmal. [...] Eine wunderbare Biografie, die durch ihren lakonischen Erzählton, durch einprägsame Schilderungen des mühsamen Widerstands- und Fluchtalltags und viel klugen zeithistorischen Kontext beeindruckt.
(Klaus Taschwer, Der Standard)