Rafael Kropiunigg
Eine österreichische Affäre
Der Fall Borodajkewycz
Am 31. März 1965 wird bei der gewalt- samsten Demonstration der Nachkriegszeit der Widerstandskämpfer Ernst Kirchweger tödlich verletzt. Es handelt sich um das erste politische Todesopfer der Zweiten Republik. Auslöser für diesen Konflikt: die Affäre Borodajkewycz.
Die Affäre Borodajkewycz war der erste und ausdrucksstärkste Fall der Nachkriegsjahre, durch den sich die versäumte Entnazifizierung und die Spannungsverhältnisse zwischen den verschiedenen österreichischen Identitäten offenbarten.
Der Hochschulprofessor Taras Borodajkewycz stolperte über das, was in der Nachkriegszeit nach wie vor gang und gäbe war: seine deutschnationalen Äußerungen. Die politischen Aussagen führten zu detaillierten Vorlesungs- protokollen, einem Ehrenbeleidigungsprozess, einer parlamentarischen Anfrage und großem Medienecho, bis die Affäre schließlich in die wüstesten Straßenkämpfe der Nachkriegszeit mündete – mit Todesfolge.
»Kaum etwas liefert einen besseren Einblick in das Innenleben einer Gesellschaft als eine Affäre – ein Geschehen, das sich weitgehend der steuernden Planung und Vernunft entzieht. Affären rühren unmittelbar an unsere Gefühle, genauer: an die unverdauten und unverstandenen, und bringen sie so in reinster Form zutage. Doch Affären sind weder Antwort noch Lösung, vielmehr stehen sie immer am Beginn von Fragen.«