Czernin

Renate Dorner-Kiliàn

Frau Niemand hat Glück gehabt

Der Tatsachenroman erzählt das Schicksal einer Wiener Halbjüdin, die als Kind von ihren Angehörigen brutal getrennt wurde, und in dem von Vinzentinerinnen geführten Mischlingsheim die Kriegszeit knapp überlebte.

„Bastarde“ – so nannte Hitler die sogenannten Mischlinge aus „arisch-jüdischen“ Verbindungen beziehungsweise Ehen. Sie mussten zwar das schwere Los der Judenverfolgung mittragen, hatten aber keine wirkliche Lobby. Sie hatten das grausame Schicksal, „zwischen zwei Sesseln zu sitzen“, wobei sie – fast immer – in die negative Richtung kippten. Über ihren Leidensweg gibt es kaum Berichte, wie auch konkrete Informationen über Mischlingsheime fehlen. Die katholische Kirche führte in dieser Zeit in Wien zwei Mischlingsheime, die vom katholischen Frauenorden der Vinzentinerinnen betreut wurden. Die von den Klosterschwestern in dieser Zeit gesammelten Dokumente sind aufgrund der Bomben, die auf diese Häuser nieder gingen, kaum mehr erhalten. Die wenigen noch greifbaren Informationen wurden in dieses Buch aufgenommen und durch die Aussagen einer Zeitzeugin ergänzt.

 

Leseprobe:

Aus dem ehemaligen Kinderheim verschwanden von Woche zu Woche Zöglinge, um in die Konzentrationslager von Theresienstadt und Auschwitz gebracht zu werden. Die Zöglinge wussten von diesen Deportationen so gut wie nichts, nur dass an gewissen Tagen welche am Morgen fehlten, die in der Nacht per Lastwagen in ein „anderes Heim“ gebracht worden waren. … Und dazu kam noch der große Hunger, der gelitten werden musste. Anfangs gab es für die Zöglinge gekürzte Lebensmittelmarken, schließlich wurden auch diese Zuteilungen trotz aller Bemühungen der Schwestern ganz eingestellt. Die Schwestern bettelten, wo sie nur halbwegs sicher waren, um Lebensmittel für die Kinder. Es gab in der Nähe des Heims hinter der Kirche einen Bäcker, der Mut hatte und der sich bemühte, den Kindern und den Schwestern so gut er nur konnte zu helfen. Es durfte jedoch niemand davon erfahren. Man wollte den Bäcker nicht in Gefahr bringen und so meldeten sich die zwei tapfersten: Irmgard und die kleine Fanni. Sie waren bereit, in der Dunkelheit den Bäcker aufzusuchen und die Lebensmittel abzuholen. Sie bekamen Brot, Mehl, Teigwaren. So zogen sie jeden zweiten oder dritten Tag los, eingehüllt in dunkle Pelerinen, unter denen sie ihre Säcke versteckten. Die Angst war ihr Begleiter und man hatte sich schon einen Plan zurecht gelegt, wenn man gestellt wurde von den Spitzeln, von der SS. Man hatte sich darauf geeinigt, in so einem Fall zu behaupten, dass man die Lebensmittel gestohlen hatte. Auch mit dem Bäcker hatte man sich so besprochen, damit er Bescheid wusste.