Czernin

Hanne Dézsy

Gentleman Europas

Erinnerungen an Richard Coudenhove-Kalergi

„Als ich zu Richard Coudenhove-Kalergi, dem `Vater Europas` kam, war ich jung, er war alt. Ich wusste nichts von den Grenzen Europas, kannte nicht einmal Weimar oder Prag, das waren nur Namen aus dem vergilbten Album meiner Großtante, schemenhaft herübergerettet in eine neue Zeit. Und als ich zu ihm kam, hatte sich der große Bogen dieses seines Lebens, eines sehr reichen und schönen Lebens, von Beginn an geprägt, Großes zu leisten, übers Mittelmaß erhaben zu sein. Das ist ihm auch gelungen. Nun aber hatte die Zeit ein anderes Tempo angeschlagen. Überall neue Bilder neue Ideen. Europa wird und muss ein Ganzes werden - doch mit und in einer neuen Zeit, das musste er erkennen. Und dann gab es da auch noch die Zeit der anderen, die gegen ihn, die seine Feinde waren: Mit der letzten Spannkraft seines Lebnsbogen hat er sich in seine letzte Schlacht gestürzt, in die große Kampagne für ein Europa, für sein `Vaterland Europa`.“ Hanne Dézsy

„Ich würde ihm so gerne einen Brief schreiben, dem alten Herrn, aber leider ist er schon gestorben und zwar vor vielen Jahren. Dennoch ist sein Bild so lebendig, dass ich gerne mit ihm plaudern würde. So richtig miteinander reden ginge zwar nicht, denn geredet hat immer nur er. Er war ein so galanter, brillianter Unterhalter, er konnte stundenlang Geschichten erzählen, den anderen immer nur Atem holen lassen, ihn im Ansatz seiner Frage ersticken lassen. Wäre ich ihm auf einer Gesellschaft begegnet, ich hätte ihn wahrscheinlich nicht bemerkt. Vielleicht wären mir seine asiatischen Augen aufgefallen, sein zu schmaler Mund, der ständig zu lachen schien. Er war nicht groß, nicht stark, noch breit gewachsen, aber auch nicht zart oder zu klein. Er bewegte sich wie ein Schiff durch die Wellen, dem sich keiner entgegenstellt. Wer kennt ihn noch, wer erinnert sich noch an diesen Mann?“