Czernin

Graf Ottokar Czernin

Mein Afrikanisches Tagebuch

„Ich habe von Kairo bis wieder nach Kairo rund 10 000 Kilometer, teilweise durch noch wenig besuchtes Gebiet, zurückgelegt, manches gesehen und einiges geschossen.“ Ottokar Czernin (1872–1932), Diplomat, Abgeordneter und von 1916 bis 1918 k. u. k.-Außenminister, war ein begeisterter Jäger. Im Jänner 1926 bricht er nach Afrika auf, um seinen in Kenia arbeitenden Sohn zu besuchen und dabei seiner Jagdleidenschaft nachzugehen. Das dabei entstandene Afrikanische Tagebuch wird nun, nach über 80 Jahren, in der „Bibliothek der Erinnerung“ wieder verfügbar gemacht, bereichert um ein Nachwort von Monika Czernin.

Ottokar Czernins Reise führte ihn von Ägypten über den Sudan, Uganda und Kenia bis nach Somalia – Nashörner, Löwen und Büffel jagend. In seinen tagebuchartigen Aufzeichnungen spart er nicht mit Kommentaren zur Weltpolitik und eingestreuten Jagdanekdoten. Der in seiner Heimat als absolutistisch geltende Politiker Czernin zeigt sich begeistert von der afrikanischen Landschaft sowie den dortigen Möglichkeiten für europamüde Abenteurer und tritt in seinem Büchlein wiederholt für die Rechte der Schwarzen ein – freilich alles im Rahmen des Zeitgeists. Das Nachwort der Journalistin, Schriftstellerin und Afrikakennerin Monika Czernin rundet das Bändchen (nicht nur hinsichtlich der Namenskonsequenz) ab und beleuchtet das Leben des Verfassers, die politischen Hintergründe und den damaligen Usus der Jagdreisen nach Afrika.

 

Leseprobe:

An Bord der »Italia«, 1. Mai 1926.

»Menschen kommen manchmal wieder – Zeiten nie.«
Langsam schiebt sich der Luxusdampfer durch den Hafen von Alexandrien. Die See ist spiegelglatt, kein Wölkchen am Himmel. Weiter und weiter entfernt sich das Land, jetzt erscheint Alexandrien mit seinen weißen Häusern wie ein Kinderspielzeug, und im Westen sieht man den gelben Sand der endlosen Wüste. Nordwärts geht der Kurs nach Europa.
Vieles geht mir durch den Kopf. Wie ein Traum ist die schöne Zeit vergangen, wo ich wie ein Wilder unter Wilden leben konnte, in dieser gottbegnadeten, unbeschreiblich schönen Natur des schwarzen Erdteiles. Ich habe gehungert und gedurstet, ich habe Fleisch gegessen, das so zähe war, daß ich es nicht beißen konnte, ich habe warmes, stinkendes Wasser getrunken, ich habe mir die Haut von Dornen zerreißen lassen, ich war erschöpft vor Hitze und Anstrengung – aber ich war glücklich, und da ergreift mich plötzlich eine Sehnsucht mit der Gewalt eines stechenden, bohrenden, physischen Schmerzes: zurück nach Afrika, zurück in dieses Paradies, nicht hinein in diese entsetzliche, diese verhaßte Kultur Europas!