Czernin

Marianne Lieberman

Nachbeben

Erst die Zwänge einer bürgerlichen alt-österreichischen Familie, dann die Gräuel des Nazi-Regimes und die Rettung durch Emigration: Die Autobiografie der Malerin Marianne Lieberman. „Ich war suspekt. Deutsch, aber nicht wirklich deutsch, jüdisch, aber nicht jüdisch genug, und ganz und gar nicht jiddisch. Und wieder merkte ich: meine Individualität zählte nicht.“

Nach dem Tod ihrer Mutter nimmt sich Marianne Lieberman die Briefe des Vaters vor – eine lange und schmerzhafte Reise durch die Vergangenheit auf der Suche nach Identität führt zu überraschenden, persönlichen und politischen Einsichten. Daraus entsteht die spannende Lebensgeschichte einer Frau und Künstlerin und eine authentische Erzählung über das alte Österreich und das neue Amerika. Die Autobiografie einer Halbjüdin, die als Tochter eines angesehenen Arztes in der Wiener Josefstadt geboren wurde und in die USA emigrierte, schildert die Gräuel der Nazizeit ebenso wie ihre Emanzipation aus den Zwängen einer bürgerlichen altösterreichischen Familie. Und sie erzählt von ihrer Befreiung aus dem Würgegriff der Vergangenheit, einer Befreiung durch ihr künstlerisches Schaffen.

 

Leseprobe:

”Endlich kommt der Winter. Heute habe ich das Atelier geheizt. Mein Atelier ist eine Doppelgarage, die wir zugemauert haben, als wir das Haus 1959 kauften. Zunächst teilten wir diesen Raum in ein Büro und ein Spielzimmer. Das Büro wurde später mein Atelier. Ein paar Jahre später habe ich die Trennwand wieder entfernt. Nun ist es ein großer Raum, in den ich mich zurückziehe, wenn ich zwischen Entwürfen schwanke, wenn ich meine Gedanken ordnen muss. Meine Bücher, meine Mappen mit meinen Bildern, Radierungen und Lithografien sind hier, und hier bewahre ich auch Dinge aus der Vergangenheit auf, die auf meine Aufmerksamkeit warten, Dinge, die ich nicht wegwerfen wollte, nicht wegwerfen konnte.