Czernin

Christian Rapp
Nadia Rapp-Wimberger (Hg.)

Österreichische Riviera

Wien entdeckt das Meer

»Wien entdeckt das Meer« erkundet die Geschichte der Anbindung Österreichs an das Küstenland – von der Bedeutung der Schifffahrt für die Habsburger über ethnografische Erkundungen von Karst und Küste bis hin zum Adriatourismus nach 1945.

Mit dem Bau der Südbahnstrecke nach Triest 1854 rückte die Adria näher an Wien heran. In ihrer Blüte um 1900 war die Stadt, bis zum Ende des Ersten Weltkrieges habsburgisch-österreichisch, der größte Handelsknotenpunkt der Adria und kulturelles Zentrum Mitteleuropas.
Die Südbahn brachte außerdem die touristische Kolonisierung der »k.u.k. Riviera«. Der erste planmäßig angelegte Kurort an der Adria war Abbazia. Nach dessen Vorbild entstanden im späten 19. Jahrhundert zahlreiche weitere Tourismusdestinationen wie Portorose und Ragusa. Hotels, Villen und Strandpromenaden wurden von Wien aus geplant und von berühmten österreichischen Architekten umgesetzt. Der Industrielle Paul Kuppelwieser machte die Brioni-Inseln zu einem Treffpunkt der gehobenen Bürgerschaft und zahlreicher Künstler. Schriftsteller und Maler entdeckten in Dalmatien ihre Motive.
Die Nähe zum Meer prägte Wien und umgekehrt, den Auswirkungen spürt dieser erste umfassende Katalog zum Thema in seiner ganzen Vielfalt nach.

 

Leseprobe:

Die Szene ist verführerisch: Ein Bademantel, über den weiß gestrichenen Holzsessel gelegt, frisch gepresster Orangensaft im Glas, Obst und Blumen auf dem Tisch, dahinter das Meer. Links vom eigenen Balkon dichte Reihen cremefarbener Säulen und gedrechselte Balustraden; dahinter ein noch schmuckerer Palast in hellblau mit schmiedeeisernen Balkons, Türmchen und Erkern. Die weitläufige Terrasse wird von bunten Sonnenschirmen aus festem Stoff überdeckt, rund um sie stehen Zypressen und Palmen. Den Horizont bildet ein dicht bewaldeter Bergrücken. Das Klirren von Kaffeetassen und die kühle Morgenluft verraten, dass es zeit für das Frühstück ist.
Es hat sich offenbar nichts geändert, seitdem man vor etwa hundert Jahren hier gewesen sein könnte. Die Fassaden der eleganten Hotels und Villen sind frisch gestrichen, die Parkanlagen und Promenaden gepflegt, das Meer unverändert schön. Die Hotels heißen Bellevue, Excelsior, Grand und Palace, die Uferpromenade ist nach Kaiser franz Joseph benannt. Lediglich die lärmende Durchzugsstraße hinter den Hotels, die Marschall-Tito-Straße, ist ein Hinweis, dass zwischen der Gründerzeit dieser Kurstadt und dem Heute etwas gewesen sein könnte.