Czernin

Peter Zimmermann

Schule des Scheiterns

Große Themen, gespiegelt in Alltagsszenen: Peter Zimmermann legt mit diesem Buch intelligente, sprachlich pointierte Miniaturen vor, die zeigen, dass auch den ernsten Dingen des Lebens eine nur schwer beherrschbare Komik innewohnt.

Buben dürfen nicht weinen, Indianer kennen keine Schmerzen und erwachsene Männer sollen mit geradem Rücken durchs Leben gehen. Doch dann stellt sich heraus, dass man vor lauter aufrechtem Gang den Boden unter den Füßen nicht mehr sieht: Man stolpert über die Gruben, die einem andere graben, oder ganz einfach über die eigenen Beine – kurzum: Das Dasein mit Haltung droht jeden Augenblick zu scheitern. Nachdem es sich um keinen Einzelfall handelt, ist die Sache nicht so tragisch. Jeder scheitert mehr oder weniger auf seine Weise – und das ist wohl auch komisch. Sich gegen das Scheitern zu wehren ist wie gegen die Schwerkraft anzukämpfen. Die Strategien, aller Vernunft zum Trotz gegen das Unvermeidliche aufzubegehren, entbehren nicht eines gewissen Amüsements. Man sollte aber, ehe man über andere lacht, sich selbst dabei beobachten, wie man pflicht- und kürgemäß durchs Leben stolpert.

 

Leseprobe:

Das weitgehend ungelesene Textgeröll ist aber der interessantere Teil der literarischen Produktion, weil sich Rohdiamanten immer erst nach mühsamer Grabung finden lassen und weil avancierte Kunst nicht mehrheitsfähig ist. Tausend Dank dafür, sage ich, denn die Suche im Textgebirge ist allemal lustvoller als das devote Ablecken des zugeschliffenen Zeugs aus den Musterkoffern der Großverlage. Vor allem angekündigte Sensationen erweisen sich bei näherer Betrachtung, als wären sie aus Muttis Poesiealbum abgekupfert. Warum? Weil keine Zeit mehr ist, weil das Zeug in Umlauf gebracht werden muss, weil das Neue nie neu genug sein kann, weil Bücher nach zwei Monaten offensichtlich schon Schimmel ansetzen und nach zwei Jahren sich keiner mehr an ihr Erscheinen erinnert.
In der bildenden Kunst oder in der Musik gibt es das nicht, ist doch seltsam! Ein Gemälde, eine Komposition (wenn sie gut sind) haben kein Ablaufdatum, sie genießen immerwährende Aktualität. Warum ist das in der Literatur anders? Warum überdauern nur ganz wenige Bücher die Jahre und Jahrzehnte nach ihrem Erscheinen?