Czernin

Brigitte Schwaiger

Wenn Gott tot ist

Memoiren

Brigitte Schwaigers Memoiren, 2006 geschrieben und nun posthum veröffentlicht, sind ein einzigartiges literarisches Zeugnis und ein Spiegelbild der österreichischen Gesellschaft von der Nachkriegszeit bis heute. Unprätentiös und schonungslos offen schreibt sie über ihr bürgerliches, antisemitisches Elternhaus, gescheiterte Beziehungen, Verhältnisse mit berühmten Männern, Erfolg und psychische Probleme.

Am 26. Juli 2010 hat Brigitte Schwaiger den Freitod gewählt. Seit ihrem Debütroman und internationalen Bestseller „Wie kommt das Salz ins Meer“ machte die Autorin Autobiografisches zu Literatur. Sie rückte dabei nicht nur ihr Leben und Scheitern in den Fokus, sondern hinterfragte auch immer die Möglichkeiten des Daseins in den bestehenden Verhältnissen. Schonungslos ehrlich und dabei dezidiert unliterarisch beschreibt Brigitte Schwaiger in „Wenn Gott tot ist“ ihr Leben von frühester Kindheit bis wenige Jahre vor ihrem Tod. Radikal reduziert wird scheinbar Wichtiges in Nebensätzen erwähnt, während ein kindlich naiver Blick Prägendes und Verstörendes in den Fokus rückt. Die Autorin erschafft das ungeschminkte Bild eines Lebens in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Österreich.

 

Leseprobe:

Der Vater ist Dr. med. univ., praktischer Arzt, Doktor der gesamten Heilkunde, er hat eine Ordination im Haus, zweiter Stock, in der Waaggasse. Zum Arbeiten trägt er einen weißen Mantel. Der Vater blickt immer sehr streng, wenn er arbeitet. Im Wartezimmer leuchtet eine Schrift auf: DER NÄCHSTE BITTE.
Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Das ist also der Nächste, der immer zu meinem Vater in die Ordination kommt. Wer seinen Nächsten nicht ehrt, ist Gottes nicht wert. Du darfst deinen Nächsten niemals anlügen, ihm kein Haxl stellen, du sollst deinem Nächsten immer die Wahrheit sagen, du sollst gute Werke tun deinem Nächsten es ist oft sehr schwer, immer dem Nächsten alles rechtzumachen ...