Michael Fleischhacker
Wien, 4. Februar 2000
oder Die Wende zur Hysterie
Mit der Bildung einer ÖVP/FPÖ-Regierung am 4. Februar 2000 wurde Österreich ruckartig aus der Lethargie eines erstarrten Systems gerissen. Was folgte, war ein Hysterisierungsprozess, der das ganze politische System und weite Teile der Öffentlichkeit erfasste. Ein Klima der permanenten wechselseitigen Empörung wurde geschaffen.
Dieser Hysterie-Schub entfaltete zugleich eine Zeitraffer-Wirkung: Der Jahrhundert-Kampf um die österreichische Identität wurde innerhalb weniger Monate noch einmal gekämpft. Die Opfer waren erheblich, und es gibt nach wie vor einen Vermissten: Den intellektuellen Diskurs. Der Essay zeichnet die Entwicklung des ersten „Wendejahres“ nach und befragt die historischen Parallelen, die in der Auseinandersetzung eine zentrale Rolle spielen. „Und dies ist das wahrlich Besorgniserregende an der österreichischen Realität: Hier siegt nicht der Faschismus, sondern hier siegt immer wieder der Reflex über das Reflektieren, die Willfährigkeit über politischen Willen und das Verteidigen der Stellung über das Stellung-Beziehen-im Glauben. es sei alles eins.“ Robert Menasse