Czernin

Catherine Tessmar

Wiener Platzerln

Die Geschäfte des Künstlers Luigi Kasimir

Zum Einen hat der Vedutenmaler Luigi Kasimir das nostalgische Wien-Bild geprägt wie kein anderer. Zum Anderen war er Nationalsozialist der ersten Stunde und Arisierungsprofiteur.

Der Graphiker Luigi Kasimir hielt das Wien der Monarchie und der Zwischenkriegszeit in seinen Farbradierungen im Stil der Jahrhundertwende fest. Seine tausendfach vervielfältigten Bilder von einem traditionellen und katholischen Österreich ermöglichten die Popularisierung und weltweite Verbreitung dieses Wien-Bilds. Als Erinnerung an die Heimat dienten sie Emigranten in Amerika zur Kontemplation und Österreichern zur Bebilderung ihres nach dem Krieg wiedergewonnenen Selbstbewusstseins. Sie wurden, Botschafter Österreichs, als Staatsgeschenke verteilt. Als Diener vieler Herren arrangierte sich Kasimir (1881-1962) mit den Regierungen seiner Zeit. Dass der Künstler nach dem Anschluss die jüdische Kunsthandlung arisierte, die ihn jahrzehntelang vertreten hatte, und sich Teile der größten jüdischen Kunstsammlung Wiens von moderner Kunst sicherte, war im Optimismus der Nachkriegsjahre bald vergessen. In einem Volksgerichtsprozess wurde er vom Verbrechen der missbräuchlichen Bereicherung freigesprochen.

 

Leseprobe:

Jenseits aller ökonomischen Aspekte warf Victor Matejka, der legendäre kommunistische Stadtrat für Kultur und Volksbildung, Luigi Kasimir­ in dem Vortrag „Was ist österreichische Kultur“, den er am 25.Juli 1945 hielt, als schlimmstes seiner Vergehen den „Verrat am Geist“ vor. Auch wenn er den Bericht anonymisierte, wußte seinerzeit noch jeder, wer gemeint war: „Ein österreichischer Künstler, der weit über die Grenzen Österreichs, bis nach Amerika, durch seine Bilder mit vollem Recht bekannt ist, gehört ebenfalls zu jener Sorte von Verrätern am Geist.“
Im Gespräch hätte Kasimir­ ihm, Matejka, erklärt, daß er ohnehin nichts Schlimmes getan hätte, daß ihm das Kunstgeschäft nachgeschmissen worden sei, daß er als Grenzlanddeutscher eine gewisse natürliche Disposition zum Nationalsozialismus mitgebracht habe – außerdem hätte er doch ohnehin die ganzen Jahre auf Hitler und den Nationalsozialismus geschimpft. Matejka setzte fort: „[…] und als ich schließlich sah, daß der große Künstler und der haltlose Charakter mich ja doch nur anlügen wollte, erklärte ich ihm, daß das Schlimmste seiner bisherigen Untaten die jetzige Lüge sei, und der Mangel jedweder tätigen Reue und Einsicht zur Sühne an der Mitschuld, die auch ihn treffe.